Von der „Kapelle Grausam“ zum Jugendblasorchester Oberschledorn

Eine musikhistorische Dokumentation, mit Augenzwinkern zusammengestellt.

Drei Motive haben das öffentliche Musizieren - allerdings mit unterschiedlichen Gewichtungen- seit eh und je bestimmt:
1. Das Motiv Eigennutz: die jedem Menschen angeborenermaßen, aber mehr oder weniger
stark individuell zur Ausprägung kommende Freude an der Musik.
2. Das Motiv Gemeinnutz: Die Möglichkeit, anderen Vergnügen und Freude zu bereiten.
3. Das ökonomische Motiv: Die Chance, Klänge in klingende Münze umzuwandeln.
Von diesen drei Leitmotiven war sicher das erste von ganz besonderer Bedeutung, als im Jahre 1950 Oberschledorner Männer erstmals einen öffentlichen blasmusikalischen Auftritt hatten. In vor allen Dingen finanziell schwierigen Zeiten bedurfte es indes besonderen Einfallsreichtums und außergewöhnlicher Maßnahmen, um die Entwicklung einer Musikkapelle auf einer soliden Basis voranzutreiben. So muss als eigentliches Gründungsdatum
der legendären „Kapelle Grausam" das Jahr 1955 angenommen werden, als zur Finanzierung mehrerer Instrumente sowie ersten Notenmaterials ein sog. Wechsel unterschrieben wurde. Haftende Unterzeichner waren: Franz Padberg(Padberges), Josef Mütze, gen. Pade(Voges), August Emde (Augusten) und Josef Emde (Schmieddes).
Das war der Beginn einer Ära! Die Entwicklung des musikalischen Niveaus nahm von nun an einen rasanten Verlauf, und schon bald war die Musikkapelle Oberschledorn aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken. Die musikalische Gestaltung von Erntedankfesten, Sportfesten, Sängerfesten, Prozessionen, karnevalistischen Veranstaltungen und anderen Feierlichkeiten des dörflichen und kirchlichen Lebens gehörte zu den Schwerpunkten ihres musikalischen Wirkens. Mündlichen Überlieferungen zur Folge soll die „Kapelle Grausam" allerdings weniger durch distinguierte Intonation von Dur - und Moll -Harmonien, als vielmehr durch eine für sie typische urwüchsige Fröhlichkeit und durch von zwischenmenschlicher Wärme getragene Kameradschaft geglänzt haben. Besonders auch die Musikerfrauen, so konnten Zeitgenossen glaubhaft versichern, hätten damals viel Freude am Ausleben der musikalischen Kultur ihrer Männer gehabt. In den 60-er Jahren konnte die Leistungsfähigkeit der Musikkapelle durch das Engagement des Frankenberger Musiklehrers Karl Lauckner deutlich gefördert werden.

Karl Lauckner hatte aber Ende der 70iger Jahre, tragischerweise nach einer Probe mit den Oberschledornern, einen schweren Verkehrsunfall. Von diesem konnte er sich nicht mehr vollständig erholen, was für die „Kapelle Grausam“ der Anfang vom Ende war. Hinzu kamen schwerwiegende Sterbeverluste ( August Emde, Willi Frese aus Titmaringhausen; Alfred Padberg „Alper“) und der berufsbedingte Umzug von Musikern, so dass die Oberschledorner ohne auswärtige Hilfe nicht mehr spielfähig waren. In dieser Situation wirkten sich die Beziehungen zum Musikverein Düdinghausen bereits positiv aus, denn Arnold Figge und Ernst Althaus spielten zu der Zeit bereits in der von August Rehne geleiteten Jugendkapelle Düdinghausen. Onkel August, wie er von allen Jungmusikern respektvoll genannt wurde, hatte die erste Jugendkapelle im Altkreis Brilon ins Leben gerufen und aufgrund seiner hervorragenden Musikkenntnisse und seines exzellenten musikalischen Gehörs zu beachtlichem Niveau entwickelt. Rückblickend muss man feststellen, dass dieses auch einer der Grundsteine für die Musik in Oberschledorn war, denn die Kenntnisse, die Arnold Figge und Ernst Althaus, zu Beginn unterstützt von Bernd Eickhoff, an die Oberschledorner Jungmusiker weitergaben, basierten ganz sicher zu einem gehörigen Anteil auf dem von Onkel August erhaltenen musikalischen Rüstzeug.
Einige der erfahrenen Düdinghauser Musikanten erlebten es damals als Auszeichnung und als bedeutende Erweiterung ihres musikalischen Horizontes, mit dem Restbestand der zu der Zeit schon legendären „Kapelle Grausam“ auftreten zu dürfen. (Höhlüden Lotte wüsste ein Lied davon zu singen!!)

Die personalen Erosionen wurden dann aber doch so groß, dass die Blasmusik in Oberschledorn Anfang der 80-er Jahre de facto nicht mehr existierte, so dass man im Jahre 1984 vom Beginn einer neuen Ära sprechen konnte( siehe Chronik des Musikvereins Oberschledorn e.V.).
An dieser Stelle gebührt der Dank an die zu dieser Zeit noch lebenden Musikanten der „Kapelle Grausam“, für die es eine große Freude war zu sehen, dass die Musik in Oberschledorn mit der Gründung des Jugendblasorchesters wieder eine Zukunft haben sollte, und für die es dann auch selbstverständlich war, dass der gesamte Altbestand, sowohl das Bargeld als auch die noch existierenden Instrumente, ohne Gegenleistung als Gründungskapital dem neuen Orchester zur Verfügung gestellt wurde.
Als dankbare Anerkennung und als Zeichen der herzlichen Verbundenheit mit den musikalischen Koryphäen der Nachkriegszeit organisierte man im November 1985 eine sog. „Dankeschönparty“ in der Küche der Schützenhalle, zu der alle der Kapelle Grausam Nahestehenden eingeladen waren, um die musikalische Vergangenheit dieses in vielerlei Hinsicht sagenhaften Klangkörpers noch einmal Revue passieren zu lassen! .........

Arnold Figge